Gibt es einen Weihnachtsmann?

O Tannenbaum, O Tannenbaum, ...



Antwort aus Sicht der Tageszeitung "New York Sun"



Die achtjährige Virginia O' Hanlon aus New York wollte es genau wissen, darum schrieb sie im Jahre 1897 an die Tageszeitung SUN einen Brief:

"Ich bin acht Jahre alt. Einige von meinen Freunden sagen es gibt keinen Weihnachtsmann. Papa sagt, was in der SUN steht ist immer wahr. Bitte sagen Sie mir: ::Gibt es einen Weihnachtsmann?
Virginia O' Hanlon

Die Sache war dem Chefredakteur so wichtig, dass er seinen erfahrensten Kolumnisten, ::Francis P. Church, beauftragte, eine Antwort zu entwerfen - für eine Titelseite in der "Sun". Die Antwort erschien auf der Titelseite der SUN und wurde dort über ein halbes Jahrhundert bis zur Einstellung der SUN 1950 alle Jahre wieder zur Weihnachtszeit abgedruckt.


Liebe Virginia,

Deine kleinen Freunde haben nicht recht. Sie glauben nur was sie sehen; sie glauben, dass es nicht geben kann, was sie mit ihrem kleinen Geist nicht erfassen können. Aller Menschengeist ist klein, ob er nun einem Erwachsenen oder einem Kind gehört. Im Weltall verliert er sich wie ein winziges Insekt. Solcher Ameisenverstand reicht nicht aus, die ganze Wahrheit zu erfassen und zu begreifen.

Ja Virginia, es gibt einen Weihnachtsmann. Es gibt ihn so gewiss, wie die Liebe und Großherzigkeit und Treue. Weil es all das gibt, kann unser Leben schön und heiter sein. Wie dunkel wäre die Welt, wenn es keinen Weihnachtsmann gäbe! Es gäbe dann auch keine Virginia, keinen Glauben, keine Poesie - gar nichts, was das Leben erst erträglich machte. Ein Flackerrest an sichtbarem Schönen bliebe übrig. Aber das Licht der Kindheit, das die Welt ausstrahlt, müsste verlöschen.

Es gibt einen Weihnachtsmann, sonst könntest Du auch den Märchen nicht glauben. Gewiss, Du könntest Deinen Papa bitten, er solle am Heiligen Abend Leute ausschicken, den Weihnachtsmann zu fangen. Und keiner von ihnen bekäme den Weihnachtsmann zu Gesicht - was würde das beweisen? Kein Mensch sieht ihn einfach so. Das beweist gar nichts. Die wichtigsten Dinge bleiben meist unsichtbar. Die Elfen zum Beispiel, wenn sie auf den Mondwiesen tanzen. Trotzdem gibt es sie. All die Wunder zu denken - geschweige denn sie zu sehen, das vermag nicht der Klügste der Welt.

Was Du auch siehst, Du siehst nie alles. Du kannst ein Kaleidoskop aufbrechen und nach den schönen Farbfiguren suchen. Du wirst einige bunte Scherben finden, nichts weiter. Warum? Weil es einen Schleier gibt, der die wahre Welt verhüllt, einen Schleier, den nicht einmal die Gewalt auf aller Welt zerreißen kann. Nur Glaube, Poesie und Liebe können ihn lüften. Dann werden die Schönheit und Herrlichkeit dahinter auf einmal zu erkennen sein. "Ist das auch wahr?" kannst Du fragen. Virginia, nichts auf der Welt ist wahrer und beständiger. Der Weihnachtsmann lebt und wird ewig leben. Sogar in zehnmal zehntausend Jahren wird er da sein, um Kinder wie Dich und jedes offene Herz mit Freude zu erfüllen.

Frohe Weihnachten, Virginia

Dein Francis Church